„Refugium“ ist dennoch anders. Vielleicht, weil es die Zeiten erfordern. Vielleicht, weil Martin Schindler keinen anderen Weg sieht. Nach der eher in sich gekehrten Welt des wunderbaren Vorgängers „Melancholia“ bricht sich auf „Refugium“ vieles in ungewohnter Intensität Bahn. MANTUS unter dem Brennglas, könnte man dazu auch sagen. Wie nie zuvor in der Karriere der rastlosen Gothic-Ikone sind die Themen regelrecht entzwei gerissen, schizophren in ihrer oszillierenden Bewegung zwischen Introvertiertheit und Extrovertiertheit.
Was Martin Schindler daraus musikalisch macht, ist nicht weniger als eine Sensation. Der archetypische und verehrte MANTUS-Sound zwischen düsterrockiger Wucht und elegischer Sehnsucht reizt die Pole so sehr aus wie nie und bringt einige der stärksten, eindringlichsten und bewegendsten Kompositionen hervor, die MANTUS in den bald 20 Jahren ihrer Existenz jemals erschaffen haben. Wenn Martin Schindler etwa, wie in „Schande“, mit Nationalstolz und Pegida abrechnet, dann hat das etwas zutiefst Kämpferisches, aber zugleich Überlegenes. Ähnlich intensiv ist dieses Bollwerk von einem Song namens „Welt in Flammen“, das uns den Irrsinn des immer alltäglicher werdenden Terrors in der Welt vor Augen führt.
Deutlich, direkt und persönlich wie nie rechnet Martin Schindler ab. Er begibt sich jedoch nicht auf einen blinden Rachefeldzug, sondern schreibt und singt sich das von der Seele, das so schwer auf ihr wiegt. Dass er sich dazu entschieden hat, die Nummer „Traurig bin ich sowieso“ von Bettina Wegner im MANTUS-Gewand neu zu interpretieren, darf wie ein übergeordneter Gedanke gewertet werden: Mehr denn je berichtet „Refugium“ vom Kampf gegen alles Schlechte, aber eben auch von der Aufgabe. Der Resignation. Ironischerweise sind es jedoch gerade Alben wie diese, die als flammendes Manifest gegen die Selbstaufgabe ankämpfen. Das macht MANTUS im Jahr 2016 wertvoller denn je.